Ist unsere Wahrnehmung der aktuellen Realität die Wirklichkeit?

Veröffentlicht am 11. Februar 2022 um 18:00

Aus aktuellem Anlass wegen den großen Diskussionen über die aktuelle Realität, die wir in verschiedenen Medien unterschiedlich wahrnehmen, hier der spannende Artikel eines geschätzten Kollegen:

Jedem Menschen kommt es so vor, dass er die Realität, also die physische Welt einfach und direkt wahrnehmen kann. Und genau das ist eine Illusion unseres Gehirns.

In seinem Buch „Wie unser Gehirn die Welt erschafft“ schreibt Chris Frith:

„Selbst wenn all unsere Sinne völlig intakt sind und unser Gehirn normal funktioniert, haben wir keinen direkten Zugang zur physischen Welt. Es fühlt sich vielleicht so an, als hätten wir diesen direkten Zugang, doch das ist eine Illusion unseres Gehirns.“

Auf der nächsten Party können Sie das mit einem berühmten Trick demonstrieren. Sie brauchen dazu nur einen Gummiarm und einen Schirm aus Pappe:

Dann bitten Sie einen Gast, seinen linken Arm auf den Tisch zu legen und verdecken diesen für ihn mit dem Schirm. Den Gummiarm legen Sie so, als ob er zu dem Gast gehört und dieser ihn sehen kann. Dann streichen Sie mit zwei Pinseln mehrmals gleichzeitig über den Arm des Gastes und den Gummiarm. Dieser spürt anfangs die Berührung auf seinem Arm und sieht den Pinselstrich auf dem Gummiarm.

Jetzt kommt’s: nach einigen Minuten verschwindet mit der Zeit das Berührungsgefühl aus dem linken Arm. Es ist jetzt im Gummiarm. Das Gefühl ist auf magische Weise aus dem Körper in einen ganz anderen Teil der realen Welt gewandert.

Als Menschen können wir nie die Wirklichkeit an sich wahrnehmen. Sondern nur unsere subjektive Wahrnehmung der Wirklichkeit. Genau genommen: Jeder Mensch konstruiert seine eigene Wirklichkeit. Im Alltag erleben wir das natürlich anders. (“Das ist doch ein Auto!”) Das ist praktisch, da diese Prozesse unbewusst ablaufen und wir uns so eine stabile Welt phantasieren.Dass jede Wahrnehmung rein subjektiv ist, gilt als eine der zentralen Thesen des Konstruktivismus. Diese Sichtweise wird auch durch Erkenntnisse der modernen Neurobiologie gestützt.

Beispiel: Zwei Menschen sehen den gleichen Hund – doch reagieren ganz unterschiedlich auf ihn. Die eine Person ist Hundeliebhaberin, während der andere Mensch Angst bekommt, weil er schon einmal von einem Hund gebissen wurde. Hier kann man nicht sagen, der Hund macht der einen Person Angst. Der Hund ist nicht die Ursache der Angst, sondern die Weise, wie der Hund wahrgenommen bzw. interpretiert wird, ist die Ursache für die Angst.

Der kürzlich verstorbene Kommunikationsforscher Paul Watzlawick leitete daraus zwei Konsequenzen ab.
„Aus der Idee des Konstruktivismus ergeben sich zwei Konsequenzen:

  1. Wir müssen Toleranz für die Wirklichkeit anderer entwickeln. Denn deren Wirklichkeitskonstruktionen sind genauso richtig oder berechtigt, wie meine eigene.
  2. Wir sind absolut verantwortlich. Denn wenn klar ist, dass ich meine eigene Wirklichkeit konstruiere, bin ich für diese Wirklichkeit auch verantwortlich.“

Die moderne Hirnforschung unterstützt diese konstruktivistische Sichtweise. Ein Beispiel:
„W e k mmt es, dass s e di sen S tz l sen kön n?“

Klar ist: Sie lesen nicht das, was hier steht, sondern verzerren bzw. interpretieren diesen Satz automatisch so, wie er für Sie sinnvoll scheint. Ein der deutschen Sprache Unkundiger würde die obige Zeile ganz anders wahrnehmen. Noch ein Beispiel:

Nach eienr Stidue der Uinverstiaet Cmabridge ist es eagl, in wlehcer Reiehnfogle die Bchustebaen in Woeretrn vokrmomen”.


Fast jeder kann den Satz flüssig lesen, obwohl die Reihenfolge der Buchstaben in den Wörtern vertauscht ist. 
All diese Wahrnehmungsexperimente zeigen, dass es einerseits die Wirklichkeit wohl gibt (das Bild der alten Frau, die verdrehten Sätze) aber dass unsere Wahrnehmung dieser Wirklichkeit eine Konstruktionsleistung unseres Gehirns ist.

 

Ihr Gehirn kann zum Beispiel aus nur 15 tanzenden Punkten eine menschliche Figur erkennen. Kann erkennen, ob die Figur weiblich oder männlich ist. Nervös oder entspannt. Glücklich oder traurig. Wohlgemerkt nicht aus einem Bild, sondern aus weißen Punkten auf einer schwarzen Hintergrund! 

Vielleicht erklären die Thesen hier auch das überraschende Ergebnis einer Studie, nachdem ein Placebo bei Patienten mit Reizdarmsyndrom selbst dann wirkte, wenn man den Menschen sagte, dass es ein Placebo sei. Das Gehirn könnte also trotzdem eine Wirkung erschaffen.

Mit anderen Worten: Ihr Gehirn erschafft die Welt. Das ist auch der Titel des Buches von Chris Frith, aus dem ich hier einiges beschrieben habe. Absolut lesenswert!

Das bedeutet aber auch: Sogar unser „Ich“ ist ein Konstrukt unseres Gehirns. Eine beeindruckende Erfahrung, dass das „Ich“ konstruiert ist, und dass es noch etwas anderes in uns Menschen gibt, das Selbst, erlebt man während dieser Meditation.


Fazit: Wie also Ihr Chef, Ihr Ehepartner oder gar wie Sie selbst “in Wirklichkeit” sind, weiß niemand. Doch mit dieser Ungewissheit können wir nicht leben. Deshalb machen wir uns Bilder von der Wirklichkeit (“Landkarten”). Das Tragische daran ist, dass wir meist schnell diesen Interpretationsprozess vergessen und das Bild, das wir uns von etwas machen, für die Wirklichkeit halten. Doch die Landkarte ist nicht die Landschaft.

Sich die Subjektivität der eigenen Wahrnehmungen und Einstellungen bewusst zu machen, ist eine zentrale – und bisweilen heilsame – Erfahrung in meinen Seminaren. Denn nach Watzlawicks Erkenntnis kann dies zu mehr Toleranz gegenüber anderen führen. Und dazu, dass wir die Verantwortung für unser Leben mehr bei uns selbst lokalisieren – anstatt in der “Realität”.

Wenn du wirklich bereit bist an dir zu arbeiten, dann lade ich dich herzlich ein in die Infinity School zu kommen und ein wertvolles Mitglied sein und alles dafür zu tun, die beste Version deiner Selbst zu werden.

 

Wie das geht? 

Ganz einfach: Klick oben auf meinen Namen - dann gelangst du auf die Hauptseite - Schau dir das Video an und trage dich kostenlos auf meine Liste ein. Wir sprechen dann persönlich miteinander.

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Kommentare

Veronika
Vor 2 Jahr

Sehr gut ausgearbeitet und interessant. Danke für den Beitrag.